20 Jahre Forschung und Entwicklung: Meilensteine, Methoden und Massnahmen

Reportage

Im Jubiläumstalk wurde diskutiert, was Rosinen der letzten Jahre waren, warum man Betroffene in den Forschungsprozess einbeziehen sollte und wie die Erkenntnisse die Praxis verändert haben.

Kontakt

Peter Klaver Titel Prof. Dr.

Funktion

Leiter Zentrum Forschung und Wissenstransfer / Professor

Barbara Fäh Titel Prof. Dr.

Funktion

Rektorin

«Die damalige und heutige Vision lässt sich in einem Motto ausdrücken – Bildung für Alle», eröffnete die Rektorin Prof. Dr. Barbara Fäh den Talk zu «20 Jahre Forschung und Entwicklung an der HfH», der am 28. Mai 2021 in digitaler Form durchgeführt wurde.

Meilensteine der Forschung

Tatsächlich finden sich diese Spuren bereits in der WASA-Studie, in der von 2002 bis 2005 das Wachstum des sonderpädagogischen Angebots untersucht wurde: «Die Separationsquoten hatten sich damals ziemlich stark entwickelt», sagte Kurt Häfeli, der damalige Projektleiter, der auch zwölf Jahre lang Leiter der Forschung und Entwicklung an der HfH war. «So kam nicht zuletzt aus der Praxis die Frage, wie dieses sonderpädagogische Angebot nicht nur finanziell, sondern auch unter pädagogischen Gesichtspunkten besser gesteuert werden kann.» In den folgenden Jahren rückte vermehrt die Erforschung des integrativen Unterrichts in den Fokus. «Wir konnten mit einer Reihe von Studien zeigen, was eine gelingende schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus ausmacht», sagte Andreas Eckert, Professor für Kommunikation und Partizipation bei Autismus-Spektrum-Störungen an der HfH. Daraus resultierte zum Beispiel eine Checkliste für Fachpersonen, die Themen wie die systematischen Förderplanung, strukturierte Lernumgebungen bis hin zur Kooperation mit den Eltern umfasste.

Innovative Methoden

Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Forschungsfrage, wie Kinder und Jugendliche mit heilpädagogischem Förderbedarf ihren Unterricht erleben. Dazu wurden Schülerinnen und Schüler direkt im Unterricht angepiepst und mussten einen Fragebogen ausfüllen – in ganz verschiedenen Unterrichtssituationen, mehrmals am Tag. «Erlebens-Stichproben-Methode» heisst dieser innovative Zugang, kurz ESM. «Durch das mehrmalige Abfragen direkt im Unterrichtsgeschehen bekommen die Daten eine ganz andere Qualität», erklärte Carmen Zurbriggen von der Universität Luxemburg, «interessant sind dabei jene Schüler, die bei den Lehrpersonen als auffällig gelten», ergänzte die Professorin, die früher auch an der HfH geforscht hat: «Diese Gruppe erlebt den Unterricht zum Teil als sehr stressvoll.»

Ein weiterer Beleg für die methodische Innovationskraft ist der Ansatz der partizipativen Forschung. «Die Grundidee besteht darin, die Zielgruppen, deren Themen wir behandeln, so stark wie möglich in den Forschungsprozess einzubeziehen», erklärte Andreas Eckert. Dadurch kommt man zum Teil zu ganz anderen Forschungsfragen. So habe sich etwa gezeigt, dass für Menschen mit Autismus die Frage nach der Bewältigung ihres Alltags eine hohe Bedeutung habe.

Brückenschlag zur Praxis

Eine Forschung, die dem Leitsatz «Bildung für Alle» folgt, ist sehr praxisorientiert – und zwar von der Frühförderung bis ins Berufsleben. In der Längsschnittstudie ZEPPELIN wird unter der Leitung von Andrea Lanfranchi seit einigen Jahren die längerfristige Wirksamkeit eines Frühförderprogramms in psychosozial belasteten Familien untersucht. Bereits in den ersten Forschungsphasen konnten positive Effekte der frühen Förderung nachgewiesen werden: Die unterstützten Kinder haben unter anderem weniger emotionale Probleme und sind sprachlich kompetenter als jene aus der Kontrollgruppe. «Diese Studie zeigt auf, wie stark die Wirkung einer früh angesetzten Intervention auf eine belastete Familie und ihre Kinder sein kann», sagte Peter Klaver, Leiter Zentrum Forschung und Entwicklung an der HfH.

Den Fokus auf die Schule legen die ESM-Studien. Danach ist ein adaptiver Unterricht entscheidend dafür, dass die Schülerinnen und Schüler ihn emotional positiv erleben. «Ebenfalls wichtig: Die Peers spielen eine zentrale Rolle für das Wohlbefinden, und zwar für die Schule wie auch für die Freizeit», schloss Carmen Zurbriggen.

Sehen Sie im Video, welche Rosinen die letzten zwanzig Jahre HfH-Forschung hervorgebracht haben und was das in der Praxis bewirkt hat.

Informationen zum Video. Veranstaltungsreihe «Jubiläum 2021», 20 Jahre Forschung und Entwicklung an der HfH, Eine Suche nach dem Weg zu Bildung für Alle (Jubiläums-Talk vom 28.06.2021, Online-Durchführung). Barbara Fäh, Prof. Dr., Rektorin HfH begrüsst die Runde. Dominik Gyseler, Dr. & Steff Aellig, Dr., HfH Wissenschaftskommunikation, moderieren. Die Gesprächsgäste sind:

  • Kurt Häfeli, Prof. Dr. em., ehem. Leiter Forschung & Entwicklung HfH
  • Andreas Eckert, Prof. Dr., Professor für Kommunikation und Partizipation bei Autismus-Spektrum-Störungen, HfH
  • Carmen Zurbriggen, Prof. Dr., University of Luxembourg
  • Peter Klaver, Prof. Dr., Leiter Zentrum Forschung & Entwicklung HfH

20 Jahre Forschung und Entwicklung an der HfH – Eine Suche nach dem Weg zu Bildung für Alle

Autor: Dominik Gyseler, Dr. phil., Wissenschaftskommunikation HfH

Forschungsbericht «Heilpädagogische Forschung: Bildung für Alle»

Prof. Dr. Peter Klaver hat zum 20-jährigen Jubiläum der HfH einen Forschungsbericht herausgegeben. Die frei zugängliche Online-Publikation wendet sich an alle interessierten Fachpersonen in Praxis und Wissenschaft. Zum Forschungsbericht «Heilpädagogische Forschung: Bildung für Alle»

Reportagen

  • «Dabei sein ist nicht alles» – Reportage zur partizipativen Forschung: Der Einbezug Betroffener in den Forschungsprozess kann ein Gewinn sein. Doch es braucht Augenmass und Augenhöhe.
  • «SMILE: Der Computer als Gebärden-Trainer» – Reportage zum Forschungsprojekt SMILE: Ein internationales Forschungsteam entwickelt ein Computersystem, das Gebärden selbständig erkennt und beurteilt. Noch steckt die Entwicklung in den Kinderschuhen. An der HfH wird der Prototyp vorgestellt – und weiterentwickelt.
  • «Frühe Förderung steigert spätere Bildungschancen» – Reportage zum Forschungsprojekt ZEPPELIN: Wenn Kleinkinder aus belasteten Familien ab Geburt gefördert werden, zeigen sie im Kindergarten bessere Deutschkompetenzen, stabilere Emotionen und eine höhere Selbstregulation. Das zeigt der Einblick in den Zwischenstand von ZEPPELIN, einer gross angelegten Längsschnittstudie.